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Neun
kontroverse Bauprojekte in Baden-Württemberg
Stuttgart:
Stadtbibliothek; Bildnachweis: TMBW / Jochen Tack
Große Bauprojekte prägen das Erscheinungsbild unserer Städte und
sind damit wichtige Weichenstellungen für die Zukunft. Kein Wunder, dass viele
von ihnen bereits bei der Entstehung für Zündstoff sorgen.
Wir zeigen neun
Beispiele aus Baden-Württemberg, die teils heftige Diskussionen ausgelöst
haben.
Museum
Frieder Burda Baden-Baden: Architekt mit Kultstatus
Der amerikanische Architekt Richard Meier hat zuvor bereits das
Getty-Center in Los Angeles und das Museum für zeitgenössische Kunst in
Barcelona entworfen. Seinen weißen Bau an Baden-Badens Lichtentaler Allee
vergleicht der Meister mit einer „transparenten Villa“. Für Zoff sorgte die
Verknüpfung von Mäzenatentum und staatlicher Kunstförderung: Die gläserne
Brücke zwischen Kunsthalle und Burda-Museum wurde zum Symbol der Querelen.
Heute besitzt das Museum weltweite Strahlkraft. Besucher kommen nicht nur wegen
der Kunst, sondern auch wegen der Architektur. Sie ist großzügig, aber nicht
protzig und hat eine einladende Atmosphäre.
www.museum-frieder-burda.de
Universitätsbibliothek
Freiburg: Ein Hingucker
In der Fassade der Unibibliothek (UB) spiegelt sich die Stadt:
Die Bibliothek liegt wie ein geschliffener schwarzer Diamant zwischen
Stadttheater, dem alten Kollegiengebäude und dem Synagogenplatz. Und neben der
mittelalterlichen Münsterromantik kann sich die Stadt jetzt sogar über einen
gelungenen Bilbao-Effekt freuen. Doch das Gebäude sieht zwar schillernd aus,
hat aber seine Schattenseiten. Lacht in Freiburg die Sonne, kann es gefährlich
werden. Dann bringt ihr Licht die futuristische Glasfassade zum Strahlen, und
nicht nur Autofahrer werden geblendet. Da hilft nur eins: Vorhang runter. Im
Inneren sind alle Ebenen der UB perfekt durchdacht. 1.200 Arbeitsplätze
verfügen über Sicherheitsschlösser für Laptops und gutes Licht. Im
Lounge-Bereich stehen Designersessel. Lernen kann so schön sein.
www.ub.uni-freiburg.de
Bahnstadt
Heidelberg: Größte Passivhaussiedlung der Welt
Das Projekt ist spektakulär. Mitten in Heidelberg entstehen
Wohnungen und Arbeitsplätze für über 10.000 Menschen auf dem Gelände des
ehemaligen Güterbahnhofs. Als größte Passivhaussiedlung der Welt hat die
Bahnstadt Modellcharakter weit über Deutschland hinaus. Im Alltag könnte es für
die Bewohner des nachhaltigen Stadtentwicklungsprojekts (die Häuser haben einen
um 50 bis 80 Prozent niedrigeren Energiebedarf als herkömmliche Bauten)
Probleme geben, etwa beim Lüften. Fenster aufreißen kann kontraproduktiv sein.
Die Häuser haben ein kompliziertes Belüftungssystem, brauchen aber keine
klassische Heizung. Dafür ist die Vielfalt der Gebäudetypen umso
eindrucksvoller: Die Bahnstadt bietet Wohnraum und Wohnlösungen, die so
individuell wie ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind.
www.heidelberg-bahnstadt.de
Experimenta
Heilbronn: Schön verdreht
Der Bau ist eine Skulptur aus Glas und Stahl. Prägnantes Element
ist die „Raum-Spirale“, die sich auf fünf Ebenen durchs Gebäude zieht und die
einzelnen Bereiche verbindet. Seit der Eröffnung von Deutschlands größtem
Science-Center im März 2019 bietet sich von der Dachterrasse ein einzigartiger
Blick auf die Bundesgartenschau. Und wo früher Konkurrenz war, herrscht heute
Einigkeit: Buga und Experimenta bringen Heilbronn zum Leuchten. Zu den
Highlights der Experimentierwelt zählen neun Labore, ein Maker Space, vier
Themenwelten, vier Talentschmieden, eine Experimentalbühne, eine Sternwarte und
ein Science Dome – die Kuppel der Superlative.
www.experimenta.science
Platz
der Grundrechte in Karlsruhe: In bester Verfassung
Recht und Gerechtigkeit, was bedeuten sie für den Einzelnen, was
für die Demokratie? Auf 48 Schildern installierte der Künstler Jochen Gerz
prägnante und zugleich höchst unterschiedliche Aussagen zum Thema. Doch die
Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Problematisch sei nicht die Arbeit des
Künstlers, sondern die teils unpassenden Standorte der Metallstelen. So
verstellten sie zum Beispiel den Blick vom Marktplatz auf das Schloss.
Außerdem, so die Kritiker, behinderten sie den Radverkehr. Das ungewöhnliche
Kunstwerk wurde 2005 eingehweiht und ist ein Geschenk zum 50-jährigen Bestehen
des Bundesverfassungsgerichts. Auch in diesem Jahr – 70 Jahre nach
Inkrafttreten des Grundgesetzes – helfen die Schilder, ein sperriges Thema für
die breite Öffentlichkeit erlebbar zu machen.
www.karlsruhe.de
Neue
Kunsthalle Mannheim: Kunst im Quadrat
Stadt in der Stadt lautet das Konzept und ist zugleich Einladung
in eine weitläufige, helle Architektur. Um das 22 Meter hohe, lichtdurchflutete
Atrium gruppieren sich auf drei Ebenen 13 Ausstellungskuben. Mit dem
Metallgewebe an der Außenfassade kann sich jedoch nicht jeder anfreunden. Und
überhaupt: Der „Kunsttempel“ bilde einen zu starken Kontrast zum
Jugendstilensemble rund um den Wasserturm – so die Kritiker. Andere schätzen
die Zurückhaltung des Gebäudes. Dank spannender Sichtachsen können sich die
Besucher durch den spektakulären Bau treiben lassen. Ihr Weg führt über
Galerien, Brücken und Terrassen in Räume, in denen die Kunst präsentiert und
nicht zelebriert wird.
www.kuma.art
Technisches
Rathaus Pforzheim: Ikone des Wiederaufbaus
Das 1957 von Hans Schürle entworfene Technische Rathaus zählt zu
den besten Nachkriegsbauten der Stadt. Ärger gab es erst Jahrzehnte nach seiner
Erbauung, als das Gebäude einem Shopping-Center weichen sollte. Die Kosten für
eine Renovierung erschienen der Verwaltung nämlich zu hoch, sie propagierte
einen Abriss. Bürger warfen den Verantwortlichen vor, sie seien dabei, „ihr
Tafelsilber in der Tonne zu entsorgen“. Im Zweiten Weltkrieg hatte Pforzheim 80
Prozent seiner Gebäude im Zentrum verloren. Statt auf historische
Rekonstruktionen setzte man auf Neubauten. Heute ist die Stadt geprägt von der
Architektur des Wiederaufbaus in den Fünfzigerjahren.
www.pforzheim.de
Stadtbibliothek
Stuttgart: Schöner Lesen
Von außen wirkt das Gebäude wie ein schlichter Würfel. Innen
jedoch erstrahlt es ganz in Weiß mit einem Aufbau, der an eine Pyramide erinnert.
Farbe und Leben bringen Bücher und Besucher in den Bau. Während der Bauphase
gingen die Meinungen in der Bevölkerung stark auseinander. Viele sprachen von
„Bücherknast“ oder „Stammheim II“. Heute zählt die Stadtbibliothek zu den ganz
Großen ihrer Zunft. Laut der Wochenzeitschrift „Time“ gehört sie – als einzige
in Deutschland – zu den 20 schönsten der Welt. Nicht nur Bücher-, auch
Architektur-Fans sind begeistert. Über neun Stockwerke erhebt sich das Bauwerk
des Kölner Architekten Eun Young Yi in den Himmel. Auch bei Dunkelheit
verzaubert das Juwel am Mailänder Platz. Dann leuchtet seine Fassade in
tiefblauem Glanz.
www.stuttgart-tourist.de/a-stadtbibliothek-stuttgart
Stadthaus
Ulm: Tradition trifft Moderne
Die makellos geometrische, weiß verputzte „Bauskulptur“ befindet
sich in direkter Nachbarschaft zum spätgotischen Ulmer Münster. Über 100 Jahre
rang Ulm um die Gestaltung des Münsterplatzes. Der Bauplatz galt als „einer der
heikelsten in der Bundesrepublik“. Als sich die Stadt 1986 für den Entwurf des
New Yorkers Richard Meier entschied, brach ein Sturm der Entrüstung los – sollte
die Kathedrale den Platz doch weiterhin allein dominieren. Drei Jahrzehnte
später ist das Stadthaus ein internationaler Markstein moderner Architektur und
aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Es bietet Raum für Ausstellungen und
eine Tourist-Information. Der Bau des Hauses war die Initialzündung für die
Umgestaltung der Neuen Ulmer Mitte.
www.stadthaus-ulm.de
Dieter Buck
Besuchen Sie mich auch unter www.dieterbuck.de, auf facebook und in Instagram unter dieter_buck_wanderautor.
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