In den
Hessigheimer Felsengärten wächst nicht nur erstklassiger Wein –
das
Naturschutzgebiet ist auch ein reizvolles Kletter- und Wanderrevier
Efeu rankt an den Laubbäumen empor, die hier unten in der kleinen,
schattigen Schlucht über dem Neckar wachsen. Juliana verknotet das
Sicherungsseil mit ihrem Hüftgurt, reibt sich die Hände noch mit etwas Magnesia
ein und steigt auf einen kleinen Felsvorsprung.
Die Hände suchen Halt im teilweise
glatten Gestein, Freund Jens sichert ihren Aufstieg. Die erste Route heute ist
das sogenannte Rosenstöckle. Sie verläuft zwischen zwei schmalen, zerklüfteten
Muschelkalktürmen – oben am Fels wachsen Wildrosen.
Das Terrain der Kletterer
Freitagnachmittag in den
Hessigheimer Felsengärten zwischen Stuttgart und Heilbronn: Auf dem schmalen
Pfad, der direkt an der Felskante entlangläuft, sind Spaziergänger mit Kind und
Kegel und Hund unterwegs. Die Schlucht zwischen den Felsen liegt auf halber
Höhe und ist das Terrain der Kletterer – ab und zu schaut einer von ihnen über
die Kante, um gleich wieder kehrtzumachen und abzusteigen. „Das hier ist ein
tolles Trainingsgebiet für den Feierabend oder das Wochenende“, erzählt Jens,
der wie Juliana ganz in der Nähe wohnt. Für den Weinbauern, der in der Felsengartenkellerei
arbeitet und der nebenerwerblich auch selbst Wein anbaut, ist das Klettern ein
toller Sport, um zu entspannen: „Ich liebe es, in der Natur zu sein, und beim
Klettern kreisen meine Gedanken wirklich nur um den nächsten Halt in der Wand.“
Ein sonniger Aussichtsbalkon
über dem Neckar
Ob die Sportler beim Klettern auch
ein Auge für die besondere Tier- und Pflanzenwelt haben? Die Felsen hier sind
nämlich nicht nur Lebensraum für seltene Flechten, Gräser und Blütenpflanzen
mit exotischen Namen: Wimper-Perlgras, Kelch-Steinkraut, Scharfer Mauerpfeffer,
Kartäuser-Nelke, Edel-Gamander und Frühlings-Fingerkraut sind darunter. Auch
viele Vögel brüten in den Nischen des Muschelkalks, und die Mauereidechse hat
dort ihr Zuhause. Drum herum breiten sich die Weinhänge über dem Neckar aus –
viele Reben wachsen in Steillagen, in denen keine Maschinen eingesetzt werden
können. Ein toller Sonnen-Aussichtsbalkon ist das hier oben, auch für
Spaziergänger! Der Blick reicht weit über den Fluss. Unten auf dem Neckartal-Radweg,
der über 368 Kilometer von Villingen-Schwenningen bis nach Mannheim verläuft,
ist einiges los. Und hier oben sorgen die Kletterer für etwas Nervenkitzel
inmitten all der Beschaulichkeit.
„Ist da oben jetzt frei?“, ruft
jemand von unten. Freie Bahn, los geht’s! 500 Meter breit ist das
Klettergebiet, bis zu 18 Meter geht es nach oben, auf etwa 130 Kletterrouten,
3. bis 9. Grad, für Anfänger und Fortgeschrittene, Boulderer und Bergsteiger.
Ab dem frühen Nachmittag bevölkern sich denn auch die Felsen mit
bunt-alternativen Klettergrüppchen – Pärchen, Väter mit ihren Söhnen und
Sportkumpels starten mit ein paar Aufstiegen ins sonnige Wochenende. Die gute
Stimmung schwappt zu den Zuschauern über, die oben auf den Bänken Platz
genommen haben. Die Felsengärten sind im Sommer-Wochenend-Modus. Schön wie am
Strand hier.
Besondere Lebensräume
Der Vergleich ist gar nicht so
weit hergeholt, denn das hier war tatsächlich mal ein warmes Meer: Der
Muschelkalk in Hessigheim besteht aus Sedimentgesteinen, die während der
Trias-Zeit vor etwa 240 Millionen Jahren entstanden sind. Deshalb findet man
hier auch immer wieder Versteinerungen. Schon seit den 1920er-Jahren wird in
Hessigheim geklettert, seit 1942 sind die Felsengärten Naturschutzgebiet, und
ebenso lange ist es nicht mehr erlaubt, auf der Außenseite der Felsen – also
direkt über dem Neckar – zu klettern. Damit sind einige der aussichtsreichsten
Touren tabu, andererseits ist an heißen Tagen das Klettern in der Schlucht
ohnehin angenehmer. Heute sind die Felsengärten auch ein Natura 2000-Gebiet,
denn es gibt hier gleich eine ganze Reihe besondere Lebensräume: Felsköpfe,
Felswände, Schutthalden, Magerrasen und die Schlucht.
Gemütliche Weinorte
Klar, dass in einer Weinregion wie
dieser auch der Genuss eine große Tradition hat. Die Fachwerk- und Kunststadt
Bietigheim-Bissingen, die Weinstadt Bönnigheim und der gemütliche Weinort
Besigheim laden Gäste nach einem Spaziergang in den Felsengärten zum Bummeln
und Einkehren ein. Für Juliana und Jens sind die Hessigheimer Felsengärten
schlicht das familiäre Hausrevier nach Feierabend, sie bleiben dann gern dort,
bis die Sonne untergeht. „Manchmal“, erzählt Jens, „machen wir nach dem
Klettern auf einem der Felsen ein kleines Picknick – das ist einfach wunderschön.“
Info:
Felsengartenkellerei: Weine vom
Neckar und von der Enz
Etwa 1.400 Winzer rund um
Hessigheim haben sich zur Felsengartenkellerei Besigheim zusammengeschlossen.
Auf 700 Hektar sonnigen Hängen an Neckar und Enz produzieren sie jedes Jahr
acht bis zehn Millionen Kilo Trauben. Knapp ein Fünftel der Flächen sind terrassierte
Steillagen. Die qualitätvollen Weine aus vorwiegend typisch württembergischen
Rebsorten wie Trollinger, Lemberger, Müller-Thurgau und Riesling können vor Ort
verkostet und gekauft werden. Außerdem bietet die Felsengartenkellerei
Aktivitäten an – Führungen, Planwagenfahrten, Events.
www.felsengartenkellerei.de
www.3b-tourismus.de
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Dieter
Buck
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